„EM 55“ zum 60-jährigen Vereinsjubiläum

Veröffentlicht von Administrator (wb_admin) am 27.03.2023
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Herz blutet für die Sportler – EM-Fanclub wird zu Orga-Team 55 – Leitner mit Gold & Silber 

Unterneukirchen (kam). Die Europameisterschaft 2023 im Weitenwettbewerb wird in der Geschichte des Eisstocksports einen unvergesslichen Platz als „EM 55“ einnehmen. Innerhalb von 55 Stunden wurden die Wettkämpfe nach der Absage am Faschingsdienstagnachmittag aus Kärnten vom Goggausee nach Unterneukirchen verlegt. Trotz der extrem kurzen, eigentlich unmöglichen Vorbereitungszeit gelang es dem Retter-Team um Christoph Neugirg ein perfektes Event zu organisieren. Dafür „hagelte“ es von allen Seiten, angefangen der International Federation Icestocksport (IFI) über den Deutschen Eisstock-Verband (DESV) bis hin zu den teilnehmenden Nationen aus Finnland, Italien, Litauen, Österreich und Slowenien bewundernswertes Lob. 

Als die internationale Weitenfamilie von der Absage erfuhr, war man zunächst geschockt. DESV-Bundestrainer Thomas Englmaier war der erste, der einigermaßen klaren Kopf behielt, Neugirg anrief und sich langsam herantastete. Da die Unterneukirchner Weiten-Triebfeder zusammen mit neun weiteren Mitgliedern des Leitner-Fan-Club eh drei Tage in Kärnten geplant hatte, fragte Neugirg kurzerhand über die WhatsApp-Gruppe, ob sie sich vorstellen können, anstatt nach Kärnten zu fahren, in Unterneukirchen zu arbeiten und organisieren. Kein einziger sagte ab, und so wurde aus der EM-Fangruppe 2023, dass EM-Orga-Team 55. 55 daher, weil nur diese Anzahl an Stunden blieb, um nach der endgültigen Zusage bis Freitagabend alles in die Wege zu leiten. Sogar einen Livestream bekam man in der kurzen Zeit noch gebacken.

Der offizielle Startschuss des europäischen und grün-weißen Saisonhighlights konnte dann pünktlich am Freitagabend um 19 Uhr in der anmutig geschmückten Stocksporthalle mit der Eröffnungsfeier und dem Empfang der Nationen erfolgen. Dort traf man sich bei musikalischer Umrahmung und die IFI-Fahne wurde von Österreich an Deutschland übergeben. Die ehrenvolle Aufgabe den Aktiveneid zu sprechen, gebührte der Unterneukirchner Lokalmatadorin Annalena Leitner.

„Mein Herz blutet immer für die Sportler!“, so Neugirg bei der Eröffnungsfeier. Als der ehemaligen Weitenwart des Bayerischen Eissport-Verband (BEV) von der Absage aus Kärnten erfuhr, dachte er sofort an alle U16-Schützen, die sich monatelang auf ihre erste EM vorbereiten. „Das tut mir in der Seele weh, wenn denen dieses unvergessliche Erlebnis genommen wird!“ Auch die befreundeten Italiener, die beim 47. Unterneukirchner Kraftlackl am 3. Dezember so zahlreich, vor allem mit vielen Damen angereist waren, dachte er sofort. Neugirg blickte zudem auf das Jahr 1978 zurück, als im Landkreis Altötting schon mal ein Unterneukirchner wesentlichen Anteil an einer EM-Rettung hatte. Weil Funktionäre vor 45 Jahren auf dem nicht mehr tragfähigen Eis des Wöhrsees einbrachen wich man durch Initiative des damaligen EM-Organisators Leo Wimpersinger innerhalb von zwei Stunden nach Garching auf deren Eisbahn aus.

„Gott sei Dank gibt es Christoph Neugirg und den SVU, deren Herz für den Weitensport schlägt!“. Mit diesen Worten sprach IFI-Präsident Christian Lindner sowohl den Aktiven, als auch Trainern und Fans aus der Burst. Auch Silvia Tschiltsch, Präsidentin des Bund Österreichischer Eis- und Stocksportler (BÖE), freute sich, dass Unterneukirchen so kurzfristig eingesprungen ist, bat aber auch um Verständnis für die Kärntner Organisatoren „denen es unendlich leid tut und die sich sehr bemüht haben.“ Das Hin-und-Her Goggausee, Weißensee, Absage und doch wieder Goggausee hat allerdings für viel Verwirrung gesorgt. Als Dank für die EM-Rettung übergab sie einen Riesenlolly, in dem für die zahlreichen Helfer kleine zu finden waren. DESV-Präsident Christian Obermeier aus Hallbergmoos dankte der IFI, dass die Verlegung so unbürokratisch und Hand-in-Hand erfolgte. Stolz war er auf sein „Team Germany, dass das Organisationsteam tatkräftig unterstützte.“ Fast der gesamte DESV-Kader reiste nämlich bereits am Freitagvormittag an und half ab etwa 10 Uhr mit 17 Nationalspielern samt der beiden Bundestrainer Christian Englbrecht (Oberbergkirchen) und Thomas Englmaier (Neufraunhofen) bei den Aufbauarbeiten. Nach der Eröffnungsfeier ging es mit einem Festzug durch den Ort zum gemeinsamen Abendessen im Saal der Brauereigaststätte Leidmann.

Der traditionellen Eröffnungsfeier mit gemeinsamen Abendessen aller Nationen folgten zwei einzigartige EM-Tage. Zuschauer? Unzählig! – Zum einen waren Fans aus Österreich sogar mit Bussen angereist. Zum anderen war es während der beiden Wettkampftage ein Kommen und Gehen vieler grün-weißen Unterneukirchner. Am Finalsonntag musste die Feuerwehr die Zufahrt zum Sportgelände bereits gegen 11 Uhr sperren. Daraufhin wurden sogar noch die Parkplätze an der Grundschule und Pfarrkirche benötigt. Stimmung? Unbeschreiblich! – Mit Fanfaren, Sirenen und Ratschen verwandelten die internationalen Fangruppen Deutschlands längste Stocksporthalle in ein ohrenbetäubendes Tollhaus.

Einziger, winzig kleiner Wermutstropfen: Nach harter Vorbereitung ereilte Annalena Leitner ein Schicksalsschlag. Beim Training am Freitag wurde die 26-jährige Premieren-Europameisterin 2019 von einem außer Kontrolle geratenen Stock dermaßen abgeschossen, dass Augenzeugen dachten, sie müsse sofort ins Krankenhaus und könne nicht mehr schießen. Doch die Konditormeisterin biss die Zähne zusammen und führte die Deutsche Damen-Nationalmannschaft zum EM-Titel. Trotz der schmerzhaften, ohne Schmerzmittel nicht zu ertragenden Fersenverletzung und eines starken Wettkampfs musste sich die 26-jährige Konditormeisterin im Einzel aber mit der Vize-Europameisterschaft begnügen. Der österreichischen Titelverteidigerin gelang ein einziger Bombenschuss. Alle anderen vier Weiten hätte Leitner locker überboten.

Die überraschend in Unterneukirchen aufgeschlagene Weiten-EM passt nicht nur perfekt zum 60-jährigen SVU-Vereinsjubiläum, sondern wird mit Sicherheit als absolutes Highlight ins Jahr 2023 der grün-weißen Vereinsgeschichte eingehen.

Foto(s): PresseService Albert Kamhuber

 

Zuletzt geändert am: 27.03.2023 um 12:10

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